Der Fremde in uns, das ist der uns eigene Teil, der
uns abhanden kam und den wir zeit unseres Lebens,
jeder auf seine Weise, wiederzufinden versuchen.
Manche tun dies, indem sie mit sich selbst ringen, andere, indem sie andere Lebewesen zerstören.
Der Widerstreit zwischen diesen zwei Ausrichtungen
des Lebens, die beide von derselben Problematik
bestimmt sind, wird über die Zukunft unseres
Menschseins entscheiden -
>>> Wenn
die Liebe der Eltern sich so entstellt, dass sie Unterwerfung und
Abhängigkeit fordert, um sich bestätigt zu fühlen, dann wird
gesellschaftliche Anpassung zu einer Probe der Gehorsamkeitsleistung.
Das daraus resultierende Streben bringt den Verlust der wahren Gefühle
mit sich. <<<
>>> Wenn ein Mensch seinen eigenen Schmerz nicht erleben
darf, weil er dazu angehalten wurde, ihn als schwach abzutun, wird er
ihn in anderen Lebewesen suchen müssen. Ein solcher Mensch wird andere
erniedrigen, quälen oder verstümmeln, um des eigenen verdrängten
Schmerzes habhaft zu werden. Zugleich wird er dieses Tun leugnen, um
seine eigene seelische Verstümmelung zu verbergen. <<< Flo, wie er leibt und lebt!
>>> Es hilft mir aber überhaupt gar nicht, spitzfindig irgendwelche guten
Seiten an meinen Eltern auszumachen, ganz gleich, ob man mich dann für
einen Borderliner hält oder nicht. Genauso wenig kann ich verstehen, wie
Arno Gruen, der Ihre Positionen zumindest im Großen und Ganzen teilt,
schreiben kann:
"Der Patient ändert sich erst, wenn er selbst die Verantwortung dafür
übernimmt, daß er sich einmal dafür entschieden hat, sich der Macht zu
unterwerfen. Denn genau diese Unterwerfung ist es, die sein autonomes
Potential hat verkrüppeln lassen und die seine seelischen Deformationen
bewirkte. Das ist auch meine Kritik an Alice Millers Sichtweise, obwohl
ich ihr Werk für wichtig und bedeutsam halte. Sie argumentiert, als ob
das Verständnis für die determinierenden Einflüsse bereits die Heilung
bewirke. Tatsächlich führt das aber nur dazu, daß sich der Patient
wollüstig im Spiegel des therapeutischen Verständnisses sonnt, ohne sich
ändern zu müssen". Der Wahnsinn der Normalität, dtv, 12. Auflage März
2003, S.19
Der Patient hat sich selbst entschieden, sich der Macht zu unterwerfen?
Entweder interpretiere ich Arno Gruen falsch, oder will er wahrhaftig
behaupten, dass ein drei-, vierjähriges Kind die Wahl hat, sich der
Macht zu unterwerfen oder nicht? Ein Kind hat diese Wahl nicht. Und ich
glaube durchaus nicht, dass irgendjemand sich "wollüstig" im Spiegel des
therapeutischen Verständnisses sonnt, zumal Arno Gruen die Antwort
schuldig bleibt, wo man - nicht nur in Deutschland- überhaupt auf
therapeutisches Verständnis trifft. <<<
Diese Kritik
an Arno Gruen (an die Therapeuten und sogenannten professionellen
Helfer sowieso), muss auch ich bestätigen. Ein Kind hat KEINE Wahl und
Arno Gruen fehlt DIE EMPÖRUNG,
der Mut die Eltern (seine eigenen?!) anzuklagen und verwehrt den
einstigen Kindern die Wut zu fühlen, darüber, dass sie, die Eltern, dem
Kind KEINE ANDERE WAHL gelassen haben, als sich unterwerfen ZU MÜSSEN,
DENN ein KIND IST ABHÄNGIG VON der Liebe und Fürsorge der Eltern. An
dieser Position ist Arno Gruen tatsächlich feige und wendet im Grunde
die Triebtheorie an: DAS SCHULDIGE KIND, was selber dafür verantwortlich
ist, sich unterworfen zu haben. Das könnte man derart fortsetzen, dass
man seine Schuld nur mit dem Tod einlösen kann, weil man selber Schuld
ist, dadurch man lebt und atmet. Das ist eine ERNEUTE Verwirrung, kurz
vor dem Durchbruch der Wahrheit und schlimmstenfalls eine
Retraumatisierung und DAS IST WIRKLICH EMPÖREND, erst recht von einem
Fachmann! Hat ein Säugling, ein Baby, ein Kleinkind, überhaupt ein Kind,
eine Wahl? Erst wird es in die Welt gesetzt und dann dafür
verantwortlich gemacht, dass es lebt und elementare Grundbedürfnisse
hat. Ein Kind ist doch vollkommen abhängig von den Eltern und das
Bewusstsein eines Kindes baut sich doch erst auf. Ein Kind hatte von
Geburt an KEINE Wahl. Mit seiner Behauptung schürt Arno Gruen die Schuldgefühle,
die Kinder eh schon immer haben, weil die Schuldigen die Schuld einfach
nicht übernehmen und sich auf dieser Grundlage die Kinder immer
schuldig für das fühlen, was ihnen angetan wurde. Diese Kritik an Arno Gruen ist wichtig hervorzuheben, obwohl ich ihn ansonsten sehr schätze.
>>> ... der Wahnsinn, der sich selbst überspielt und sich mit
geistiger Gesundheit maskiert. Er hat es nicht schwer, sich zu
verbergen, in einer Welt, in der Täuschung und List realitätsgerecht
sind.
Während jene als verrückt gelten, die den Verlust der menschlichen Werte
nicht mehr ertragen, wird denen Normalität bescheinigt, die sich von
ihren menschlichen Wurzeln getrennt haben.
... (...) ...
Man besteht darauf, dafür geliebt zu werden, anderen Schmerzen
zuzufügen, was nicht selten sogar als Wohltätigkeit ausgegeben wird.
(Hatte man früher die Eltern nicht dafür zu lieben, daß sie einem
Schmerzen bereiteten, denn sie hatten doch nur das Beste für einen im
Sinn?) Ein abgespaltenes Selbst kann sich nicht mit der eigenen
Unterwerfung und Kollaboration auseinandersetzen, daher muss die
Behauptung der Eltern, daß ihre Forderungen aus Liebe kamen, akzeptiert
und verteidigt werden. Im Namen solcher elterlichen "Liebe" und
"Fürsorge" etabliert sich die Macht über andere Menschen.
... (...) ...
Den Typus des Psychopathen, der für mich den extremen Gegenpol zum
Schizophrenen darstellt und den der Wahnsinn der scheinbaren Normalität
in seiner höchsten Steigerung kennzeichnet, versuche ich im siebten
Kapitel genauer zu beschreiben.
... (...) ...
Ein Schriftsteller schreibt nicht zuletzt deshalb, weil er mit seiner
schöpferischen Kraft gegen den Betrug der "herrschenden Meinung"
ankämpfen will. Er spricht noch in einer Sprache, die von der Ganzheit
menschlicher Erfahrung weiß.
Die Wissenschaft dagegen versucht, wie Michael Polanyi es treffend
charaterisiert hat, "die menschliche Perspektive aus unserem Weltbild zu
entfernen, um uns in die Absurdität zu führen". Deshalb ist mir das
Zeugnis der Schriftsteller sowohl für die Ganzheit als auch für die
Gespaltenheit des menschlichen Erlebens so wichtig im Hinblick auf die
Thesen dieses Buches. Ihr Zeugnis liefert anschauliche Beispiele für den
Wahnsinn, der sich unter der Maske der Gesundheit verbirgt und heute im
Begriff ist, die Menschheit zunehmend der Selbstvernichtung
auszuliefern. <<<
>>> Selbsthass
entsteht durch autoritäre Erziehung, durch Erziehung zum Gehorsam. Das
eigene Sein des Kindes wird nicht akzeptiert. Stattdessen muss es den
Erwartungen der Eltern entsprechen. Die eigenen Bedürfnisse des Kindes
haben keinen Platz. Was ein Kind in sich spürt, muss verborgen werden,
weil es die Beziehung zu den Eltern gefährdet. Das kann ein Kind sich
nicht leisten, denn es ist auf die Versorgung durch die Eltern
angewiesen. Um diese Versorgung zu sichern, muss ein Kind das Eigene,
das von den Eltern zurückgewiesen wird, beiseite schieben. Das Eigene
wird als etwas Fremdes abgespalten, das Kind entfremdet sich von seiner
eigenen Sichtweise und seinem eigenen Erleben. Um überleben zu können,
arrangiert sich das Kind mit den Eltern - es fängt an, die Eltern, so
missbrauchend und lieblos sie auch sein mögen, zu idealisieren. Das Kind
kann die Eltern nur dann als liebevoll erleben, wenn es ihre
Grausamkeit als Reaktion auf sein eigenes Wesen interpretiert - die
Eltern sind grundsätzlich gut; wenn sie einmal schlecht sind, dann ist
das Kind selbst daran schuld. Damit übernimmt das Kind die lieblose
Haltung der Eltern sich selbst gegen über. Alles, was ihm eigen ist -
seine Gefühle, seine Bedürftigkeit, seine Art der Wahrnehmung wird zu
einer existenziellen Bedrohung und deshalb gehasst.
Die
Identität, die ein so erzogenes Kind entwickelt, orientiert sich nicht
an eigenen inneren Prozessen, sondern am Willen einer Autorität.
Zugleich aber lauert im Hintergrund die Wahrnehmung über die Eltern, wie
sie wirklich sind. Das macht demKind Angst, es muss sich vor
dieser Wahrheit schützen, indem es auf dem idealisierten Bild, der Pose
der Eltern beharrt. Deshalb hasst es alles, was es an das abgespaltene
Eigene erinnert.
... (...) ...
Liebe und liebevolle Personen werden zum Feind, weil sie die früheren zurückgewiesenen
Bedürfnisse nach echter Liebe und damit den alten Terror zu wecken
drohen. Wahre Liebe kann nicht ertragen werden, wenn die
Unzulänglichkeit der Eltern verdeckt werden muss. Wirkliche Liebe wird
unerträglich, denn sie würde die ursprüngliche Verletzung bloßlegen. Man
möchte dann Liebe ausgerechnet von Menschen, die reserviert sind und
nichts geben. Hingegen erscheint einem die Liebe derer, die Liebe leicht
geben, verdächtig. Sie wird entweder als wertlos oder als Mittel zum
Zweck empfunden.
... (...) ...
Wenn Menschen auf die idealisierten Images ihrer Eltern geprägt sind, wenn sie
die Wirklichkeit nie wahrnehmen durften, dann ist das in der Tat eine
Gefahr für die Demokratie. Denn für diese Menschen ist das Image, die
Pose die Wirklichkeit. Solche Menschen lassen sich von Politikern
verführen, die am überzeugendsten die Pose der Kraft, der
Entschiedenheit, der Selbstsicherheit beherrschen. Die unbewusste Angst
vor der Macht lässt solche Menschen nicht nur wütend auf alle reagieren,
welche die Wahrheit sprechen, sondern sie wenden sich auch jenen
Führern zu, die versprechen, sie von dieser Angst zu befreien. So werden
Wahlen entschieden -
... (...) ...
Menschen, die autoritär erzogen wurden, benötigen eine Autorität. Solange das so
ist, wird jede demokratische Gesellschaft gefährdet sein.
... (...) ...
Wenn eigener Schmerz in der Kindheit immer wieder verleugnet werden musste, dann wird dieser Schmerz später anderen zugefügt. Man verhöhnt den Schmerz, den man
anderen zufügt, aber am tiefsten verhöhnt man den Schmerz, den man
selbst erlebte und nicht fühlen durfte.
Auch
rechtsradikale Gewalttäter dürfen in ihrem eigenen Leben Schmerz nicht
fühlen und geben deshalb diesen Schmerz an andere weiter. Sie fühlen
sich lebendig, wenn sie andere angreifen. Wenn Verzweiflung nicht erlebt
werden darf, ist die Gefahr groß, dass ein Mensch destruktiv wird. Er
braucht Feinde, um nicht vom eigenen Hass überflutet zu werden. Durch
Feindbilder wird das seelische Gleichgewicht aufrechterhalten. <<<
>>> Jede "große Zivilisation", die auf Herrschaft und Besitz basiert,
erzeugt Gewalt. Den Akteuren im Getriebe der ökonomischen Globalisierung
geraten die Menschen und ihre Bedürfnisse immer mehr aus dem Blick.
Dadurch wächst die Zahl der Benachteiligten, die statt einer gesunden
Identität ein "inneres Opfer ihrer eigenen Bedürfnisse" entwickeln. Dies
führt, gesellschaftlich gesehen, früher oder später zu destruktiver
Gewalt. Es geht zunächst darum, sich den Bedürfnissen der Menschen
"ernsthaft und wahrhaftig" zu widmen, um dann später einen Weg zu ebnen,
auf dem unsere Kinder so aufwachsen, dass ein „inneres Opfer-Sein“ gar
nicht erst entsteht. Dieser Weg, der sich an den empathischen
Wahrnehmungen anderer und ihren Bedürfnisse orientiert, wird auch eine
demokratische Gesellschaft hervorbringen die Bestand hat. <<<
>>> ... Deshalb lautet die
Frage: Welche emotionalen Umstände haben die Verlangsamung des Wachstums
in Europa herbeigeführt? In meinem Buch habe ich diese wiederkehrenden
Perioden der Verlangsamung analysiert und schreib sie dem, was ich
„Wachstumspanik“ nenne zu: die Angst – unter jenen, denen ihre Eltern
keine Freiheiten zugestanden haben – „böse“ zu sein und bestraft werden
zu müssen. So ging der spektakuläre Fortschritt Deutschlands nach dem
Zweiten Weltkrieg jenen Deutschen zu weit, die eine autoritäre Kindheit
durchmacht hatten. Sie gerieten in Panik und fingen damit an, eine
selbstdestruktive Politik zu verfolgen, die den aktuellen
Wachstumsrückgang hervorrief. ...
... Ich habe Europa in den verganenen zwei Jahrzehnten nicht besucht,
weil niemand meine unangenehmen Entdeckungen hören wollte, die die
emotionalen Ursachen von sozialen Problemen aufzeigen und sie dem
Missbrauch in der Kindererziehung zuordnen. ... <<<
All das Wissen ist NICHT unbekannt ... es steht uns SCHON LANGE zur
Verfügung, aber so lange wir Dogmen brauchen, werden wir das Wissen um
die Ursachen weiterhin ignorieren und entsprechend nicht aus unserem
Leben, dessen lebendiger Beweis WIR ALLE - also unsere GESAMTE
GESELLSCHAFT - sind, lernen.
FAZIT: KONFRONTIEREN und IMMER WIEDER Öffentlichkeit HERSTELLEN!